Barockes Gartenjuwel im Osten Brandenburgs
Neuzelles Klostergarten schlägt alle Vorstellungen eines Klostergartens. Wird ein Kloster als ein bescheidener Ort geistigen Rückzugs assoziiert, dann stellen die Gartenanlagen des ehemaligen Zisterzienserkloster nahe der polnischen Grenze einen kompletten Gegenentwurf dar. Es ist ein Garten, der sich von den Terrassen dem Himmel öffnet. Er nimmt alles in sich auf, die Sonne, den Wind, den Regen, die von der Oder kriechenden Nebelbänke und ist dabei spektakulär. Dafür lieben ihn seine Besucherinnen und Besucher. Wenn sich abends die Tore zu ihm schliessen, stimmt das schon traurig.
Geometrie des Schönen
Trotz seiner Grösse spart der Garten nicht an sehens- und erlebenswerten Details. Erlebbar ist das im Kräutergarten unterhalb der Orangerie. Kennen Sie die beetbegrenzenden Girlanden aus den Zweigen von Apfelbäumen? Haben Sie die alten Obstsorten im Konventgarten entdeckt? Das Schnuppern an den Rosenstöcken lohnt sich! Sie werden Altes und Neues entdecken.

Völlig unerwartet wurde dem ehemaligen Klosterstift Neuzelle vor rund sieben Jahren mediale Aufmerksamkeit zuteil. Eine Gruppe Zisterziensermönche aus dem Wienerwald hatte sich auf den Weg gemacht, mit dem erklärten Ziel erneut klösterliches Leben in Neuzelle zu etablieren. Ihre Ankunft sorgte für reichlich Irritationen nicht zuletzt bei der Stiftung Stift Neuzelle, die im Auftrag des Landes Brandenburg sich um die Belange der ehemaligen Klosteranlage kümmert. Was wollten die Mönche aus dem niederösterreichischen Heiligenkreuz im östlichsten Teil Brandenburgs? Befürchtungen bezüglich von Restitutionsansprüchen kamen auf. Der Preussenkönig Wilhelm III. verfügte 1817 die Aufhebung des Klosters. Seitdem befanden sich die historische Klosteranlage und ehemals klösterlichen Liegenschaften in Staatsbesitz, einst Preussen, dann Volkseigentum und nun dem Land Brandenburg zugehörig. Das Rad der Geschichte hätte dafür schon sehr weit zurück gedreht werden müssen, obwohl derartige Bemühungen immer wieder aus unterschiedlichsten Motiven unternommen werden. Hatten die Zisterzienser Gefallen an der barocken Kulisse der weitläufigen Klosteranlage gefunden? Das wäre ihnen nicht zu verdenken. Die kontinuierlichen Erhaltungs- und Restaurierungsarbeiten für das Brandenburger Barock-Wunder haben sich wahrlich gelohnt. Der Blick von der Gartenpforte über die Terrassen in den Klostergarten – es ist eigentlich der repräsentative Abtgarten – ist beeindruckend. Im Vordergrund besticht die tadellose Geometrie einer barocken Gartenanlage mit Fontaine, Orangerie und Pavillion. Hinter den abschliessenden Hecken öffnet sich die weite Landschaft zum Odertal mit Feuchtwiesen und Auwäldern.
Profan und nicht belanglos
Den Klostergarten von Neuzelle zeichnet eines aus. Seine heitere Pracht und Schönheit zieht jeden in seinen Bann. Es ist ein Ort, der Ruhe ausstrahlt, zum Entdecken, Bummeln und Ausspannen einlädt. Jeder findet seine Nische. Dazu muss man sich nicht in den Schatten der glatt geschnittenen Buchenhecken verkrümeln. Wer mehr über interessante Obstsorten erfahren will, wird im Konventgarten fündig. Der Kräutergarten unterhalb der Orangerie besticht durch Vielfalt. Wer etwas über Heilkräuter lernen will, sollte sich Zeit für die sorgsam angelegten Beete nehmen.



Lorbeer und ratlose Putten
So richtig verstanden wird die Ansiedelung der Heiligkreuzer Mönche in Neuzelle selbst von katholischen Gläubigen nicht. Wenn Zisterzienserklöster Not leiden und sogar aufgegeben werden müssen, Projekte von Filialbildungen fehlschlagen, welchen Sinn hat dann eine Neuansiedelung im Osten Deutschlands? Wäre es nicht besser den Schwestern am Oberlauf der Neiße unter die Arme zu greifen? Wieso fand sich keine Lösung für die Brüder in der Eifel? Von Neuzelle ist es nicht weit in die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam und von da aus nach Berlin. Vielleicht ist es lediglich eine Anknüpfung an die Ziele der mehr als tausendjährigen katholischen Kirchenpolitik – Besitz, Einfluss und Macht?

Sich kreuzende Wege
Sollte es zu einer Reaktivierung des Klosters Neuzelle kommen, oder hatten die Mönche schlichtweg eine katholische Re-Missionierung am westlichen Ufer des Oderflusses im Sinn? Das Bistum Görlitz war bisher eines der wenigen ohne Kloster. Die katholische Kirche hatte ihr in Neuzelle angesiedeltes Priesterseminar bereits 1993 aufgegeben. Nachwuchssorgen und Austritte bescheren nicht nur den Katholiken Sorgen. Das ist kein Phänomen des ‚ungläubigen Ostens’, wobei die Niederlausitz schon immer eine Insel der Diaspora war. Sollten jetzt die Heiligenkreuzer in die Lücke springen und die Seelsorge vor Ort unterstützen? Drei Pfarren haben sie mittlerweile übernommen.



Jede Menge Kies und viel Grün
Die Ankunft der Heiligenkreuzer Zisterzienser in Neuzelle wurde medial ungewöhnlich ausführlich begleitet. Geschickt und aussergewöhnlich professionell waren die Botschaften inszeniert, lanciert zum Teil mit zweifelhaften Wahrheitsgehalt. Servile Journalisten allen Couleurs goutierten sie und förderten deren Verbreitung. Immer wieder wird dabei die mysteriöse Zahl 200 in Spiel gebracht und somit der Eindruck erweckt, dass ohne die Zisterzienser sich in der Zwischenzeit nichts getan hätte. Dabei handelt es sich kein lokal begrenztes Phänomen. Es scheint, als ob die Zisterzienser einen Kampf gegen eine vermeintlich drohende Bedeutungslosigkeit führen. Zahlreiche Medienprojekte betonen den Einfluss der Zisterzienser auf den Entwicklungsschub in der europäischen Kunst, Architektur, Theologie, Philosophie und Landwirtschaft nach ihrem Aufkommen. Sie vermitteln dabei ein Bild, als ob das alles ohne sie nicht möglich gewesen wäre. Unbestritten sind ihre Leistungen und bis heute strahlenden Zeugnisse ihres Wirkens. Nur das alleinige Zusammen- und Aufzählen von längst aufgegebenen und aufgelassenen Klöstern, die zum Teil nur noch Ruinen sind, rechtfertigt nicht die Deklaration eines ‚Zisterzienserlandes‘. Es ist ihnen durchaus bewusst, dass sie belächelt werden für ihre Haltung, dass sie die besseren Benediktiner seien, was nichts weiter als eine Anspielung auf ihre Geschichte als Reformorden ist. Wenn dabei allerdings 200 Jahre Geschichte und das Wirken anderer Orden ausgeblendet werden, dann ist das zutiefst unlauter und letztendlich unchristlich.
Zeichen der Anwesenheit
Ab und zu begegnet man ihnen, den Zisterzienser-Mönchen mit ihrer weissen Tunika und dem schwarzen Skapulier. Für das Chorgebet suchen sie siebenmal am Tag die Stiftskirche St. Marien auf. Die Tür der Kirche ist offen. Die Einladung gilt für leises Zuhören und Mitbeten.

Info und Anfahrt:
Für Fahrradfahrer lohnt sich der Abstecher von Oderradwanderweg, der unweit am Kloster vorbeiführt. Neuzelle hat eine Bahnstation, die selbst zu Fuss gut erreichbar ist.